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Als Dornröschen ohne Prinzen erwachte

meine satirisch aufbereitete Version des beliebten Märchens zum Thema der Ermächtigung von Frauen

zu hohem Ross im Sommer 2024
zu hohem Ross im Sommer 2024

Es war einmal...

im 21. Jahrhundert, da lebten mitten in Österreich eine Königin und ein König. Über viele Jahre hinweg ersehnten sie sich ein Kind. Das Ehepaar wohnte in einem riesigen Luftschloss und sie kümmerte sich stets um das gute Klima im Innenleben der Ehe. Für ihren geliebten Ehemann schreckte sie vor nichts zurück. „Haare, meine Teuerste, hat eine erwachsene Frau nur am Kopf zu tragen!“, der König verstand nicht viel von der alten Schule. Die Königin jedoch war von gestern und wusste, solange Essen auf dem Tisch stehen würde, der Gatte sich immer bewundert und bestätigt fühlte, wäre er ihr hinter verschlossenen Türen stets untertan. Erst recht, wenn sie es wusste, das Ehebett als solches zu benützen.


Blick aus dem Fenster des Palastes auf die Winterlandschaft
Blick aus dem Fenster des Palastes auf die Winterlandschaft

Monate vergingen und der Winter zog ins Land. Das Ehebett war kuschelig warm, als die Königen in ihre Pantoffel schlüpfte und sich erwartungsvoll im Spiegel betrachtete. Ihr gefiel, was sie sah. Sie konnte auch erkennen, wie mitgenommen sie war von all den Hormonbehandlungen der letzten Monate. Die Invitrofertilisation hatte gefruchtet. Lächelnd betastete sie ihren heranwachsenden Babybauch. Sie beobachtete die tanzenden Schneeflocken vor ihrer Fensterscheibe, die sie von der Kälte der Außenwelt abschirmte. Als ihr Gemahl sie von hinten umarmte, floss eine Träne ihre Wange entlang. Sanft säuselte er ihr ins Ohr: „Mein Schatz, wir bekommen ein Kind! Meine Gene werden nicht aussterben, lass uns ein großes Fest veranstalten!“



Alle 12 befreundeten Pärchen wurden eingeladen. Darunter Gräfinnen und Grafen, Herzoge und Herzoginnen, Prinzessinnen und Prinzen. Bis vor Kurzem hätten sie auch die Markgräfin und ihren Verlobten eingeladen. Dieser war jedoch bei einem Aufstand durch Stadtbürgerinnen umgekommen. Er wollte verhindern, dass Frauen in den Städten eigene Haushalte, führen konnten - auch ohne Männer. Die Markgräfin war seitdem Single und die Königin wollte ihr die Blöße ersparen, als einzige ohne Mann aufzutauchen. Es wurde gefeiert und bis tief in die Nacht getanzt. Die Frauen twerkten um die Wette und die Männer trichterten literweise Bier.


Als es schon fast Morgen war und manche Gäste schon betrunken auf den Bierbänken eingeschlafen waren, schwang plötzlich die Tür auf. Ihre Wucht ließ die tadelnde Gesellschaft hochschrecken. „Wo ist der König, dieses elendige Arschloch? Komm raus, du Feigling!“, die Markgräfin stürmte den Festsaal und blickte sich stoisch um. Die Königin war die Einzige an der Tafel, die aufgrund ihrer Schwangerschaft null Promille aufzuweisen hatte. „Dein verfluchter Mann hat die Eier, mich zur Side-Hoe zu nehmen, mein Lebenspartner bekommt davon mit und verlässt mich und nun ladet ihr mich nicht einmal zu eurer Feier ein?“ Die Königin hatte hart zu Schlucken. Während sie also gelitten und versucht hatte, auf unnatürliche Weise ihres Mannes Kind zu empfangen, hatte er sich mit der Markgräfin vergnügt? Der König begriff die Situation volltrunken nur am Rande, wurde noch blasser als zuvor und musste sich übergeben. „Eines sage ich Dir, mein lieber König den Tag wirst du bereuen, an dem du dich gegen mich und für sie entschieden hast. Ich wusste immer, Du und mein verstorbener Verlobter steckt unter einer Decke! Wolltest mich des Landes verweisen, weil ich nun keinen Mann mehr im Haushalt habe!“ Nun schlug auch der anfängliche Schock der Königin in brennende Wut um. „Ist das wirklich wahr, Markgräfin?“ „Euer Kind, das ein Mädchen wird, es soll niemals den Erwartungen des Vaters entsprechen. Ich werde dafür sorgen, dass es unheiratbar wird. Kein Mann soll sie je berühren. Der König wird sich hüten, das Mädchen mit Männern in Kontakt kommen zu lassen. Sollte eure Tochter jemals ihre Jungfräulichkeit verlieren, so wird sie danach in einen tiefen Schlaf fallen und nie wieder aufwachen.“ Sie verkündete weiters, allein eine Entschuldigung des Königs und eine Änderung der Gesetze im Land dahingehend, dass Frauen alleine wohnen und arbeiten gehen dürfe, könne die Prinzessin wieder zum Erwachen bringen.


Dornröschen hieß die hinreißende Königstochter, die ganz bald zu einer wunderschönen jungen Frau heranwuchs. Sie war immer sehr eigensinnig gewesen und hinterfragte, was sich hinter den Toren des Palasts abspielte. So konnte der König auch nach größten Bemühungen nicht verhindern, dass sie eines Nachts entwischte, um mit dem jungen Mann, mit dem sie in einer Situationship verstrickt war, den nächsten Schritt zu wagen. Als dieser Mann nach kurzem Prozess bei ihrem nächtlichen Treffen gekommen war, ergriff er ängstlich die Flucht. Denn Dornröschen blieb reglos liegen, wie im Tiefschlaf. Ihr Herz hatte für ihn geschlagen, er schlich sich davon.


Die Tochter des Königspaars war verschollen, niemand konnte sie finden. Alle Diener des königlichen Schlosses wurden ausgesandt, um Dornröschen zu suchen. Der König tat alles in seiner Macht stehende, um seine geliebte Tochter zu finden. Vergeblich. Er wollte und konnte nicht wahrhaben, dass seine Tochter vermutlich tatsächlich in einen ewigen Tiefschlaf gefallen war. Er fürchtete sich davor, sich entscheiden zu müssen, den Frauen in seinem Reich mehr Rechte einzuräumen. War er wirklich bereit, seine Tochter aufzugeben, nur, um die Macht seines Geschlechts weiter aufrecht zu erhalten? Die Königin wusste, nun war sie gefragt, in ihrer Rolle als Mutter und Königin und in Gedanken an all die anderen Frauen da draußen, die immer noch unterdrückt wurden.

eine schöne Blume
eine schöne Blume

Eines Tages lag sie schluchzend in Dornröschens Schlafgemach auf ihrem Bett. Da entdeckte sie in dem Spalt hinter dem Frisiertisch einen Strauß vertrockneter Rosen. Sie waren von ganz besonderer Sorte, das ließ sich sogar jetzt noch erkennen. Sie kannte nur einen einzigen Strauch im gesamten Königreich mit solch sanft geschwungenen weißen Blütenblättern, die zum Rand hin pinke Tupfen trugen. Sie wusste, wo sie ihre Tochter finden würde und sie wusste auch, sie allein würde ihr liebes Kind retten können.

Tatsächlich, unter den Büschen hinter einer Höhle, die nur Mutter und Tochter kannten, lag Dornröschen unter einem Busch voller weiß-rosa Blüten. Früher waren die beiden oft hierhergekommen, um Zeit zu zweit zu verbringen. So hatte Dornröschen wohl ihre erste Liebe mit hierhergebracht. Sie zuckte zusammen, dort war ein junger Mann mit schwarzen Locken. Er kniete über der schlafenden Prinzessin. Auch aus der Ferne konnte Königin erkennen, er benetzte ihr Gesicht mit seinen Tränen. Der junge Mann schüttelte sie sanft und küsste verzweifelt ihre Lippen. Er pflückte eine besonders große Blüte vom Rosenstrauch. Kurz jappste er auf, er hatte sich an den Dornen gestochen. Die Rose legte er in ihre Hände, die über ihrer Brust verschlossen waren. Im nächsten Moment war er in der Höhle dahinter verschwunden.


Die Königin schritt an ihre Tochter heran. Ganz friedlich lag sie im hohen Gras. Sie sah frisch und lebendig aus, wie immer. Ihr Wangen waren leicht gerötet und ihre Augen mit den schwarzen, lang geschwungenen Wimpern fest verschlossen. Ihr Brustkorb hebte und senkte sich langsam. „Mein Kind! Ich habe dich gefunden. So froh bin ich, du lebst! Dein Vater wird nicht kommen und ich werde nicht mehr zurück ins Schloss gehen. Es muss Gerechtigkeit herrschen in unserem Land. So werde ich ein Zeichen setzen, ein großes sogar, wenn die Königin den König verlässt. Sei gewiss Dornröschen, ich werde jeden Tag wiederkommen und nach dir sehen. Ich werde mich für dich und mich und Frauen, wie die Markgräfin einsetzen. Wir alle haben es verdient, unser eigenes Leben so zu führen, wie wir es wünschen. Ich liebe deinen Vater, aber wer nicht hören will, muss fühlen! Ich hoffe, du träumst schön Dornröschen. Morgen komme ich dich wieder besuchen, noch heute werde ich meine Habseligkeiten packen und lasse die Kutsche fertigmachen.“ Sanft küsste die Königin die Stirn ihrer Tochter, strich ihr liebevoll übers Haar. Im Umdrehen pflückte auch sie sich eine Rose. Deren außergewöhnliche Schönheit ergriff sie noch immer wie beim ersten Mal. Voller Zuversicht hastete sie durch die hohe Wiese bis zum Höhleneingang, als Dornröschen plötzlich hinter iher rief: „Mama, warte auf mich, ich komme mit!“


<3
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