Unser Schönheitsideal und mein dazugehöriger Brechreiz
- teresagissing
- 10. Juli 2024
- 5 Min. Lesezeit

Was wir in Mitteleuropa und einigen anderen Ländern der Erde momentan als das Ideal der Schönheit sehen, möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter ausführen. Es wechselt ständig, auch schon all die vergangenen Jahrhunderte in der Geschichte war es schon so. Wie kann es also sein, dass Menschen – bisher vor allem Frauen – sich wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes fertig machen, obwohl das Maß aller Schönheit augenscheinlich nicht objektiv bestimmbar ist?
Lange habe ich beobachtet, was da vor sich geht. Noch länger konnte ich gar nicht verstehen, was da in den Köpfen anderer Frauen und Mädchen vor sich geht. Ich muss an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass es scheinbar ein echter Segen für mich ist, dass ich mir kaum Gedanken darüber mache, was andere Menschen und vor allem Männer über meinen Körper denken. Das war schon immer so. Ob sie mich attraktiv finden, ob sie finden, ich sei zu dick oder zu dünn oder zu unsportlich.
Wie kann es passieren, dass Frauen sich darüber definieren, wie schön sie aussehen?
Ursprünglich dachte ich immer, je besser es einem geht und je schöner man sich fühlt, umso hübscher ist Frau dann auch nach außen. Bin ich da naiv? Haben Menschen in unseren Breiten noch nie bedacht, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt? Einer verurteilt die andere und bewertet sie, nur aufgrund dessen, wie sie aussieht und lässt sie das spüren. Ist ihm dann bewusst, was das in ihr auslösen könnte? Gibt es nicht noch ganz andere und viel wichtigere Dinge, die uns ausmachen, als unser Taillenumfang oder die Schlankheit unser Beine? Muss es so sein, dass immer nur genau ein Körpertyp Anklang findet? Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn diese Idealtypen kommen und gehen wie Modetrends, je nachdem, was Social Media gerade von sich gibt? Manchmal kommt mir vor, ich bin im falschen Film...
Frauen, die mir nahestehen. Frauen, die meine Familie sind, ohne mit mir verwandt zu sein und Frauen, die mir in meinem täglichen Leben begegnen. Die einen haben offiziell eine Essstörung, können aber noch nicht einmal mit ihrem Arzt darüber sprechen. Andere trauen sich nicht, einen Bikini zu tragen, weil sie denken, ihr Bauch ist nicht schön. Eine hat eine wunderschöne Figur - ich dachte, alles, was ein Männerherz begehrt - sie erzählt mir davon, wie sehr es sie beschäftigt, ihr Körper könnte nicht gut ankommen. Wie viele Frauen in meinem Umfeld, haben regelmäßig Probleme, genügend zu essen, weil sie psychisch belastet und deswegen so dünn sind? Dünn ist immer gleich schön? Wieso sehe ich so viele Mädels, die maximal gestresst sind, wenn sich beim Sitzen ihr Bauch nach außen wölbt und die altbekannten „Speckröllchen“ zu sehen sind? Niemand darf sie sehen! Für mich ist das auch nicht lustig!
Warum so aussehen, als wäre mein Bauch sehr dick, wenn ich ihn auch einfach in meiner Hose verstecken könnte, die ich mir rasch zurechtziehe?
Mittlerweile bin ich tatsächlich so weit, dass ich meinen Speck einfach rollen lasse im Sitzen.
Wie normal ist es, dass der Bauch im entspannten Zustand im Sitzen anders aussieht als beim Anspannen im Stehen?
Überall ertappe ich Frauen dabei, dass ihre größte Sorge ist, jemand könnte meinen, sie sind nicht hübsch und schlank oder sportlich genug.
Es stimmt, ich hatte nie Probleme damit, meinen Körper zu akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass er mir deswegen immer zu 100% gefällt. Freunde kommen und Freunde gehen, Hab und Gut ist vergänglich und sogar Familienmitglieder sind nicht unsterblich. Aber: Mein Körper ist immer da, er war immer da und er wird immer da sein, so lange ich als Mensch auf dieser Erde lebe. Es macht mich betroffen, zu wissen, dass dies für viele die absolute Horrorvorstellung ist.
Mein Körper ist mein höchstes Gut.
Das impliziert, ich gebe Acht auf mich und lege als oberste Priorität, Wert darauf, dass es mir gut geht. Echt gut und von innen heraus.
Ich bin sicher, würde jeder Mensch ein ausreichendes Maß an echter Selbstfürsorge an den Tag legen, wäre die Welt ein besserer Ort. In meinen Körper kann ich mich immer zurückziehen. Ich liebe es, Wohnräume einzurichten und lebenswert zu machen! Warum also nicht auch den, der mich ein Leben lang immer begleitet? Diese Frage an sich sollte doch schon schräg erscheinen. Warum ist das nicht logisch und schlüssig für uns? Ich möchte niemanden belehren, ich kann mich mit ganz vielen Problematiken, die mit dem sich unwohl fühlen im eigenen Körper einhergehen, nicht identifizieren und möchte an dieser Stelle niemandem vor den Kopf stoßen! Ich kann nur sagen, wie ich die Dinge sehe und empfinde.
Pervers finde ich es, dass ich mich tatsächlich fragen muss, ob mein Hintern zu klein sein könnte, weil er mit all diesen Bubble-Butts, die es auf Instagram gibt, nichts zu tun hat. Habe ich einen Läuferhintern? „Läuferinnen haben doch keine Figur!“ … Es gibt Männer in meinem Alter, mit denen ich mich nüchtern darüber unterhalten habe. Sie wären von sich aus nicht auf die Idee gekommen, dass da bei mir was nicht passen könnte. Sie zeigen mir Frauen in Wien, in der Mariahilfer Straße, die ihnen gefallen. Ihre Hinterteile hatten nichts damit zu tun, was im Netz verbreitet wird. Ich habe kein Sanduhr-Taille-Becken-Verhältnis! Bin ich deswegen nicht attraktiv? Machen mich meine breiten Schultern und mein sportlicher Körper zu maskulin? Bewegung und Sport sind meine liebste Beschäftigung überhaupt! Allein schon genetisch bedingt, setze ich am ehesten Fett an den Brüsten und am Bauch an. Muss ich jetzt jedes Mal eine Diät halten und abnehmen, wenn ich einmal bis zu fünf Kilogramm mehr wiege, wenn ich im Winter träge bin oder gesundheitsbedingt nicht dazu komme, mich zu bewegen. Meine Hüfte bremst mich oft aus. Muss ich wirklich einen Badeanzug anziehen, wenn sich bei meinem Bauch in einem Sommer einmal nicht die Bauchmuskeln abzeichnen? Wenn meine starken Arme dann auch noch mit mehr Fett behaftet sind, als gewöhnlich, sind sie dann so dick, dass ich keine Spaghettiträgertops tragen kann?
Lege ich gesundheitsbedingt viel an Gewicht auf einmal zu, werden meine Brüste größer. Mir geht es dabei oft emotional und psychisch nicht gut genug, um schlank sein zu können. Nehme ich wieder ab, haben sie nicht dieselbe Form, wie davor! Bin ich deswegen weniger begehrenswert?
Ist es die Form und Größe meiner Brüste, die bestimmt, ob ich attraktiv bin?
Ich finde es nicht gut, dass es völlig gängig ist, sich solche Fragen stellen zu müssen. Meine persönlichen Schönheitsfragen sind dabei völlig neutral, ohne Wertung oder gar voller Abschätzigkeit mir selbst gegenüber formuliert.
Ich mag meinen Körper und ich sehe ihn als meinen liebsten Gefährten. Als mein Zuhause.
Wenn also sogar ich mir ab und an solche Fragen stelle, wie geht es dann anderen Frauen? Frauen, die glauben, ihren Selbstwert über ihren Körper definieren zu müssen. Frauen, die sich unters Messer legen und das für sich machen, weil sie sich nur mit Plastik in ihren Brüsten schön fühlen. (rekonstruktive plastische Chirurgie vs. ästhetische plastische Chirurgie). Unsere Dehnungsstreifen und Cellulite oder Narben in jeglicher Form möchte ich hier sogar noch außer Acht lassen.
Was macht es mit Frauen in unserer Welt, wenn sie ihren Selbstwert über das äußere Erscheinungsbild definieren?
Mich bedrückt der Gedanke. Dieser Stress, dieser Druck und dieses Entsprechen wollen finden direkt um mich herum statt. Wir wollen einem Körperbild entsprechen, das es nicht gibt. Wenn Du am Sonntag in das Kleid passen willst, iss einfach vier Tage nichts!
Wieviele von uns gehen ins Fitnessstudio, weil es Spaß macht und sie gesund sein wollen? Wer aller geht hin, um dem Schönheitsideal zu entsprechen? Wer aller glaubt, nur gemocht und begehrt zu werden, mit dem perfekten Aussehen?
Ich finde all die Frauen aus meinem Umfeld von denen ich hier schreibe wunderschön. Es bricht mir das Herz, wie sie sich selbst sehen.
Bitte Teresa, mach was, damit das aufhört. Hier mein erster Beitrag als Anfang.



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